Interview

Gen Z: Neue Erwartungen, alte Vorurteile?

Was unterscheidet die Gen Z von früheren Generationen in der Arbeitswelt? Mit HR-Leiterin Claudia Schaer, Berufsbildner Florian Bucher und Softwareentwicklerin Ying-Ling Dang diskutieren drei bbv-Mitarbeitende über gängige Vorurteile, den IT-Nachwuchs und den geringen Frauenanteil in der Branche.

30.06.2025Text: Xavier Ruchti0 Kommentare
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Die Gen Z hat den Ruf, faul und wenig belastbar zu sein und gleichzeitig hohe Ansprüche an ihre Arbeitgeber zu stellen. Claudia, wie erlebst du als HR-Leiterin die junge Generation im Arbeitsumfeld?

Claudia Schaer: Diese Vorurteile begegnen mir oft und ehrlich gesagt halte ich nicht viel davon. Ich finde es problematisch, ganze Generationen in Schubladen zu stecken. Man sollte den Generationeneffekt nicht mit dem Alterseffekt verwechseln. Gewisse Themen sind einem 20-Jährigen oft einfach wichtiger als einem Menschen mittleren Alters. Der geschichtliche Kontext prägt zudem die gesellschaftlichen Werte und die Bedeutung von Erwerbsarbeit. Diese hat heute für alle einen anderen Stellenwert als noch vor 50 Jahren. Nicht nur die Gen Z, also Personen mit Jahrgängen zwischen 1995 und 2009, sondern auch andere Generationen suchen zunehmend nach alternativen Beschäftigungsformen.

Florian Bucher: Die Vorurteile treffen nicht grundsätzlich zu – vereinzelt vielleicht aber schon. Es gibt einige, die hoch motiviert sind und viel Einsatz zeigen. Aber gleichzeitig sehe ich auch eine wachsende Gruppe, die noch nicht dieselbe Begeisterung für die Arbeit mitbringt. Dies ist nicht zwingend ein Anzeichen für Faulheit, sondern eher für falsche Vorstellungen von der Arbeitswelt. Daher würde ich diese Gruppe eher als desillusioniert bezeichnen.

Ying-Ling Dang: Dieses «Die Jugend ist faul»-Klischee gab es doch schon in jeder Generation. Ich glaube, das hat mehr mit dem Alter zu tun als spezifisch mit der Gen Z. Was mich eher beschäftigt – und da stimme ich Florian zu –, ist die Unsicherheit, die viele meiner Altersgenoss\:innen beim Einstieg ins Arbeitsleben spüren. Wir leben in einer unglaublich schnelllebigen Welt. Es stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt noch lohnt, den Aufwand in eine Karriere zu investieren, wenn finanzielle Sicherheit nicht garantiert ist. Manche stecken alles in Weiterbildungen und in die berufliche Karriere. Andere nehmen eine zynischere Haltung ein und glauben nicht, dass solche berufsbezogenen Kriterien noch viel wert sind.

«Es stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt noch lohnt, den Aufwand in eine Karriere zu investieren, wenn finanzielle Sicherheit nicht garantiert ist.»

Ying-Ling Dang, Softwareentwicklerin bei bbv

Seht ihr auch andere Ursachen für diese Kluft?

Bucher: Viele Lernende kommen mit der Erwartung, dass sie sofort in anspruchsvolle Projekte eingebunden werden und viel Flexibilität geniessen. Aber gerade in der Ausbildung geht es auch darum, die Grundlagen zu lernen, und das bedeutet oft harte Arbeit. Einige sind enttäuscht, wenn sie feststellen, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben, bevor sie in die spannenden Projekte einsteigen können.

Schaer: Ich denke, es ist normal, dass junge Menschen hohe Erwartungen an ihren Beruf stellen. Die Welt hat sich geändert und das Arbeitsumfeld muss sich anpassen. Viele junge Leute sehen heute ja auch, dass es Alternativen zum klassischen 9-to-5-Modell gibt. Gerade auf Social Media wird ihnen das auch verstärkt vorgelebt. Natürlich beeinflusst das ihre Erwartungen.

Wie begegnet bbv diesen Ansprüchen?

Schaer: Wir setzen bewusst auf flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten und Sabbaticals, um auf die Work-Life-Balance der jungen Generation einzugehen. So versuchen wir, diesen neuen Prioritäten gerecht zu werden. Immer unter der Voraussetzung, dass sie mit der Kundenarbeit vereinbar sind. Um die Mitarbeitenden langfristig zu binden, muss man zudem darauf achten, die Motivation aufrechtzuerhalten – indem man jungen Mitarbeitenden einen klaren Entwicklungsplan aufzeigen kann.

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Alte Rollenbilder und Vorurteile stehen im Kontrast zu den tatsächlichen Herausforderungen der jungen Generation.

Ying, waren oder sind diese Punkte für dich ausschlaggebend bei der Stellensuche?

Dang: Flexible Arbeitsmodelle waren für mich Nice-to-have. Viel wichtiger war für mich aber die persönliche fachliche Entwicklung, die Claudia angesprochen hat. Meine grösste Angst ist es, zu stagnieren. Mit der Informatik habe ich ein Fachgebiet gefunden, bei dem man sich nicht nur weiterentwickeln kann, sondern muss, um relevant zu bleiben und gute Arbeit leisten zu können. bbv stellt hier auch Zeitbudgets für die eigene Weiterbildung zur Verfügung, was ich sehr schätze.

Bucher: Bei uns können die Lernenden viel mitnehmen, da sie direkt mit erfahrenen Software-Ingenieur\:innen zusammenarbeiten, die selbst in Projekten tätig sind. Wir unterstützen die Lernenden bei Fragen, teilen sowohl die positiven als auch die herausfordernden Seiten unseres Berufs und bereiten sie gut auf ihre Zukunft vor. Und nach ihrer Ausbildung ermutigen wir sie, neue Erfahrungen ausserhalb unseres Unternehmens zu sammeln, um ihren Horizont zu erweitern.

«Im Vergleich zu früher muss die Arbeit sinnstiftend sein. Für junge Mitarbeitende muss es einen klaren Grund geben, warum man etwas tut.»

Florian Bucher, Berufsbildner bei bbv

Nehmt ihr die IT-Branche immer noch als Männerdomäne wahr?

Schaer: Leider beeinflussen tief verwurzelte Rollenbilder nach wie vor die Berufswahl. Die Wahrnehmung, dass der IT-Sektor ein sehr technisches und programmierlastiges Feld ist, ist immer noch weitverbreitet. Das Bild des Informatikers als introvertierte, wenig kommunikative Person, die nichts anderes tut, als im dunklen Kämmerchen vor dem Computer zu sitzen und zu coden, hält sich hartnäckig …

Dang: … Ich muss gestehen: So hatte ich es mir auch vorgestellt. (lacht)

Bucher: Dabei sieht die Realität ganz anders aus: Der Beruf des Informatikers besteht zu 50 Prozent aus Kommunikation. Es geht darum, die Kundenbedürfnisse genau zu verstehen. Nachzufragen, daraus Schlüsse zu ziehen und Zusammenhänge zu erkennen, ist essenziell. Solche Kundengespräche simulieren wir in unserer Berufsausbildung. Ich persönlich stelle bei der jüngeren Generation auch fest, dass immer mehr Frauen in die IT einsteigen oder sich zumindest verstärkt dafür interessieren.

Schaer: Ich finde es spannend, dass Kommunikation, Kreativität und Teamarbeit, die ja oft als «weibliche» Qualitäten gelten, in der IT ebenso unerlässlich sind. Diese Faktoren sollten stärker im Zentrum stehen, um auch Frauen stärker für IT-Berufe zu begeistern.

Dang: Zwischen dem Bestreben, die IT-Branche generell attraktiver zu präsentieren, und expliziter Frauenförderung herrscht allerdings ein schmaler Grat. Ich habe das Gefühl, dass es für viele Frauen sogar abstossend und daher kontraproduktiv ist, wenn man sie bei Bildungsangeboten verstärkt adressiert. Schliesslich will man ja keine Sonderbehandlung. Es bleibt unausgesprochen, aber zu stark forcierte Integration kann auch Selbstzweifel auslösen, ob man seine beruflichen Ziele tatsächlich wegen der eigenen fachlichen Kompetenz erreicht – oder nur wegen des Geschlechts.

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Flexible Karrierewege und praxisnahe Ausbildungen sind entscheidend, um den Nachwuchs langfristig zu binden.

Eine Knacknuss für Unternehmen wie bbv?

Bucher: Die Leistung zählt – nichts anderes. Wir wollen die besten Leute, unabhängig davon, ob sie männlich oder weiblich sind. Das ist der einzig faire Weg.

Dang: Genauso nehme ich bbv auch wahr. Wir sind hier, um gute Arbeit zu leisten – und um bessere Softwareentwickler:innen zu werden. Dazu findet auch ein reger Wissensaustausch statt. Man hilft einander weiter. Auch ich als junge Softwareentwicklerin stosse mit meinen Ideen immer auf offene Ohren.

Der Altersunterschied stellt also keine Hürde dar?

Dang: Nun, als unerfahrenere Person im Arbeitsumfeld geht es mir vielleicht eher darum, das zu absorbieren, was mir geboten wird. Eine strikte Hierarchie nehme ich aber nicht wahr. Man begegnet sich trotzdem auf Augenhöhe.

Bucher: Ich habe als Young Professional bei bbv begonnen und bin jetzt Berufsbildner – daher kenne ich beide Seiten. Damals konnte ich sehr viel von den erfahrenen Entwickler:innen profitieren. Nicht zuletzt, weil sie mich auch ganz bewusst Fehler begehen liessen, aus denen ich dann lernen konnte. Heute, wo ich auf der anderen Seite stehe, finde ich den Austausch mit den Young Professionals nach wie vor genial und wertvoll. Sie kommen frisch aus dem Studium, haben eine andere Sicht auf die Dinge als ich und bringen entsprechend neue Ideen in meine Arbeit. Um die eigenen Scheuklappen abzulegen, hilft das ungemein.

«Ein Betrieb, der veraltete Technologien einsetzt, hat es schwer, sich als attraktiver Arbeitgeber zu behaupten.»

Claudia Schaer, Lead HR bei bbv

Fällt der jüngeren Generation – den digital natives – die Arbeit in der IT leicht? Sie gelten ja als besonders technikaffin. Florian, du schmunzelst.

Bucher: Ich bin Millennial und auch uns wurde schon eine gewisse Versiertheit mit Computern zugesprochen. Ausserhalb der bbv nehme ich das aber nicht bei all meinen gleichaltrigen Kolleg:innen gleich wahr. Auch dort sehe ich teilweise Ängste im Umgang mit dem PC. Interessanterweise verhält es sich bei der Gen Z nicht anders. Das Smartphone – mit Touch-Display und Swiping – ist für sie die Technologie der Wahl. Beim Computer, seiner Funktionsweise und den klassischen EDV-Arbeiten sehe ich bei den Jüngeren manchmal ebenfalls gewisse Wissenslücken. Natürlich sind einige auch versiert im Umgang mit dem PC.

Dang: Für die jüngeren Vertreter der Gen Z ist der Computer auch schon praktisch wieder veraltet. Sie haben diese technologische Entwicklung selbst nicht miterlebt – und daher nur wenig Bezug zu einem Rechner und seiner zugrunde liegenden Logik.

Müssen Unternehmen dieser Entwicklung Rechnung tragen?

Schaer: Ich kann nicht für andere Branchen oder Unternehmen sprechen. Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, einen modernen Arbeitsplatz mit neuen Technologien und Arbeitsmitteln bieten zu können – und zwar nicht nur für jüngere Arbeitskräfte. Ein Betrieb, der veraltete Technologien einsetzt, hat es grundsätzlich schwer, sich als attraktiver Arbeitgeber zu behaupten.

Dang: Dem stimme ich zu. Gleichzeitig sollte die Technologiewahl aber auch gut überlegt sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass Arbeitgeber versucht sind, neuen Entwicklungen und Trends schon fast blindlings zu folgen. Darum ist es wichtig, eigene Ressourcen in die Erforschung und Evaluation neuer Technologien zu investieren, gleichzeitig aber auch Bewährtes weiterhin zu pflegen – vor allem in der Softwareentwicklung.

Young-Professional-Programm

Das Programm fördert Absolventen eines Informatikstudiums und bereitet sie optimal auf die Karriere in der IT vor. In rund zwei Jahren durchlaufen sie im und neben dem Beruf spannende Herausforderungen und individuelle Weiterbildung.

Mehr erfahren zum Programm

Sinnhaftigkeit bei der Innovation – und auch sonst?

Bucher: Ich behaupte: Ja, heutzutage muss die Arbeit sinnstiftend sein. Für junge Mitarbeitende muss es einen klaren Grund geben, warum man etwas tut, und es ist wichtig, dass sie dafür wertgeschätzt werden. Darauf legen wir auch bei bbv grossen Wert.

Schaer: Sinnhaftigkeit heisst für mich, durch die eigene Arbeit einen positiven Beitrag an die Gesellschaft zu leisten. Und in einem Umfeld zu arbeiten, das den eigenen Werten entspricht. Gerade in der IT, mit einer ausgeprägten Innovationskraft, sind diese Motive erfüllt. Wir tragen zur technologischen Weiterentwicklung der Gesellschaft bei.

Dang: Absolut. Hier kann ich wirklich etwas bewegen – sei es durch innovative Lösungen oder durch die Entwicklung von Produkten, die das Leben der Menschen verbessern. Es motiviert mich, Teil einer Branche zu sein, die ständig im Wandel ist und das Potenzial hat, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen.

Das Interview «Gen Z: Neue Erwartungen, alte Vorurteile?» und weitere inspirierende Artikel zu 30 Jahre Geschichte, Highlights sowie zur Zukunft der bbv finden Sie im bbv-Jubiläumsmagazin. Das Heft ist in digitaler Form auf Deutsch und Englisch verfügbar.

Die Gesprächspartnerin

Claudia Schaer

Claudia ist seit Mai 2024 als «Lead HR» für die gesamten strategischen und operativen Human-Resources-Aufgaben verantwortlich und trägt somit zur Erreichung der Unternehmensziele der bbv bei. Mit 20 Jahren Erfahrung in verschiedenen HR-Funktionen bringt sie ein umfassendes Verständnis des Employee Life Cycle mit und hat langjährige Erfahrung in der Beratung sowie Unterstützung von Führungskräften und Mitarbeitenden.

Der Gesprächspartner

Florian Bucher

Florian stiess 2016 als Young Professional zu bbv und verantwortet seit 2023 die Ausbildung der Lernenden. Mit 15 Jahren Erfahrung in der Softwareindustrie und einem Bachelor in Informatik gibt er sein Wissen in den Academys, Focus Days, Gatherings und Communitys der bbv weiter.

Die Gesprächspartnerin

Ying-Ling Dang

Ying-Ling ist seit Herbst 2023 bei bbv und entwickelt sich als Young Professional zur Embedded-Softwareingenieurin weiter. Sie studierte Angewandte Informatik an der HTWG und sammelte dabei Erfahrung in der Webentwicklung im Bereich der Medizininformatik. Vor ihrem Quereinstieg in die IT war sie in der Filmmusikbranche tätig.

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