GUIs und HMIs

Interfaces entwickeln – mit dem User, für den User

Graphical User Interfaces (GUIs) und Human Machine Interfaces (HMIs) können erfolgskritische Faktoren für Unternehmen darstellen. Bei der Entwicklung von Interfaces sollte deshalb vor allem eine Person im Zentrum stehen: der Endnutzer selbst.

02.07.2020Text: tnt-graphics0 Kommentare
GUIs HMIs Interfaces

Reibungslose Arbeitsabläufe sind für jedes Unternehmen elementar. Denn erst eine konsistente Wertschöpfungskette mit effizient durchführbaren Teilprozessen sichert den eigenen Geschäftserfolg. Dazu gehört auch der unkomplizierte Umgang mit der eingesetzten IT- und Maschineninfrastruktur. Aus diesem Grund kommen den entsprechenden Graphical User Interfaces (GUIs) und – im Industriesektor – Human Machine Interfaces (HMIs) eine wichtige Rolle innerhalb der Value Chain zu. Nicht selten sind die Folgen von schwer zu bedienenden Maschinen und Systemen deutlich spürbar: «Eine schlechte Usability kann gerade bei international tätigen Unternehmen zu immensen Supportkosten führen», hält Flavio Maspoli, User Experience Engineer bei bbv fest. «Unternehmen sind in solchen Fällen auf einen mehrsprachigen Supportbereich angewiesen, der unter Umständen durchgehend erreichbar sein muss. Allein schon deswegen gibt es oft grosse Bestrebungen, Interfaces von IT-Systemen und Maschinenanlagen so einfach und selbsterklärend wie möglich zu gestalten.»

Doch was bedeutet eine gute Usability überhaupt? Im Wesentlichen folgt die Entwicklung von GUIs und HMIs demselben Leitgedanken: Wer interaktive Systeme bedient, will eine bestimmte Aufgabe erledigen – wobei das Interface ihn dabei so optimal wie möglich unterstützen soll. Die Interaktion mit der Software oder der Maschine soll für den Benutzer deshalb möglichst zufriedenstellend sein. Somit steht die User Experience im Zentrum der GUI- und HMI-Entwicklung – und damit der Enduser selbst. «Wenn man sich intensiv mit dem Nutzer und den Herausforderungen beschäftigt, denen er tagtäglich bei der Arbeit begegnet, führt der Weg eigentlich immer zu einem massgeschneiderten Interface», sagt Maspoli.

Die User Experience als Fixpunkt

UI-Entwickler müssen sich deshalb genau mit den Profilen der Benutzergruppen auseinandersetzen, die das Interface später bedienen werden – von ihrem sozialen Kontext bis zur Umgebung, in der sie mit dem Interface interagieren. Gerade Letzteres ist bei der Entwicklung von HMIs zentral – da dort häufig aussergewöhnliche Arbeitsverhältnisse wie viel Dampf oder dunkle Maschinenräume vorherrschen; und der User selbst muss das Interface vielleicht auch mit ölverschmierten Händen oder Handschuhen bedienen können. All diese Kriterien sind bei der Interface-Entwicklung zentral – und Besuche vor Ort für UI-Designer deshalb unerlässlich: «Wer zum Beispiel ein GUI für eine Seilbahn entwickelt, muss mal damit gefahren sein», sagt Maspoli. «Der Betrachtungswinkel auf das Interface, die Höhe seiner Positionierung, die Grösse der Menschenmenge und die Wetterverhältnisse sind dort für die UI-Entwicklung entscheidende Faktoren.»

Natürlich sind auch Gespräche mit den Endnutzern elementar, um mögliche Anforderungen und aktuelle Pain Points aufzudecken. Manchmal ist das reine Beobachten der Endnutzer aber fast aussagekräftiger: Denn sie können nicht immer genau formulieren, was sie beim Bedienen von Computersystemen und Maschinen beschäftigt. Nur schon das Gesicht des Endnutzers, aber natürlich auch seine Bedienweise verrät viel über mögliche Probleme, die in der Interaktion mit dem Interface auftreten könnten.

Gleichzeitig kommen aus dem User Centered Design allgemeingültige Grundprinzipien zum Zug, die für praktisch jedes Interface gelten. Dazu gehört etwa die Lernförderlichkeit: Der User soll durch das Interface befähigt werden, allfällige Bedienungsprobleme selber zu lösen. Auch die Wahrnehmungssteuerung, die besagt, dass die Aufmerksamkeit des Nutzers immer auf die wirklich relevanten Informationen gelenkt werden soll, findet in jedem Interface Anwendung. Ebenso die Selbstbeschreibungsfähigkeit: Das System soll dem User Rückmeldungen und Hilfestellungen geben, damit er sich bei der Bedienung besser zurechtfindet. Obwohl diese Prinzipien für jedes Interface angewandt werden können, geschieht die konkrete Umsetzung dann wieder benutzerzentriert: «Gerade in puncto Sprache stehen die individuellen Gruppenprofile im Fokus», erklärt Maspoli. «Unter Umständen sind Anwender nicht auf technische, sondern auf einfache, klare Antworten und Anleitungen angewiesen. Deshalb müssen UI-Designer auch hier genau wissen, wer das Interface bedient – und die einzelnen Bedienelemente und Texteinblendungen danach ausrichten.»

Ein ständiger Lernprozess

Egal, wie viel Zeit und Energie ins Beobachten und Zusammentragen von Anwendungsproblemen und Anforderungen gesteckt wird: UI-Entwickler können in den seltensten Fällen alle Informationen vorab sammeln, um anschliessend ein einziges, perfekt auf den Nutzer abgestimmtes Interface zu entwickeln. Aus diesem Grund sind Prototypen in der Interface-Entwicklung unerlässlich. Erste Ideen können beispielsweise als Wireframe mit Stift und Papier festgehalten und mit den Stakeholdern diskutiert und getestet werden. Die daraus gewonnen Erkenntnisse fliessen dann wieder in die weitere Entwicklung. Bereits mit einfachen Prototypen lassen sich schon wertvolle Feedbacks einholen, um die Interfaces weiter zu verbessern. Dazu gehört allerdings auch, getroffene Annahmen wieder zu verwerfen: «Bei der UI-Entwicklung begibt man sich gemeinsam mit dem Endnutzern und den anderen Stakeholdern auf eine Reise, in der man auch bereit sein muss, von einer ursprünglichen Idee wieder abzulassen», erklärt Maspoli. «Durch die permanente Überprüfung mit Prototypen lässt sich schliesslich aber sehr viel Zeit und Geld einsparen. Es ist ein permanenter Lernprozess, bei dem jeden Tag, in jedem Workshop, in jeder Zusammenarbeit wieder neue Erkenntnisse ans Licht gelangen, die einen näher ans Ziel bringen.»

Der Experte

Flavio Maspoli

Flavio Maspoli ist seit mehr als 20 Jahren in der Gestaltung und Entwicklung von digitalen Produkten und interaktiven Systemen tätig. Dabei setzt er Design-Thinking-Methoden als leistungsfähigen Ansatz zur Entwicklung von benutzerzentrierten Produkten in seiner täglichen Arbeit erfolgreich ein.

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