Homeoffice kann zur Herausforderung werden, egal ob für Angestellte oder Führungskräfte, da der direkte und regelmässige Austausch mit den Mitarbeitenden erschwert ist. Unter Umständen haben Mitarbeitende Schwierigkeiten mit der Arbeit von zuhause aus, ohne dass es die Verantwortlichen überhaupt merken. Laila Ulmann, HR-Verantwortliche bei bbv, wollte es genauer wissen: «Wir hatten die Befürchtung, dass es den Leuten im Homeoffice möglicherweise nicht wirklich gut gehe, es fehlten aber die belastbaren Daten. Darum luden wir sämtliche Mitarbeitenden dazu ein, an einer Umfrage zur Zufriedenheit im Homeoffice teilzunehmen.» Rund 60 Prozent der Belegschaft nahmen an der Online-Umfrage teil. «Das war anonym möglich, die Kolleginnen und Kollegen konnten aber ihren Namen auch angeben», betont Ulmann.
Die Resultate sind auf den ersten Blick eine Erleichterung für die Verantwortlichen: Rund 90 Prozent geben an, es gehe ihnen gut im Homeoffice. Doch ein genauerer Blick in die Daten offenbart ein differenzierteres Bild. Einzelne Personen leiden sehr wohl unter Einsamkeit, äussern Bedenken, sich selbst genügend motivieren zu können oder vermissen den informellen Austausch vor Ort. «Wir sind einerseits froh, dass es der Mehrheit der Mitarbeitenden gut geht im Homeoffice», so Ulmann. «Aber wir bekamen wichtige Hinweise, wo bbv als Arbeitgeber aktiv werden sollte».
Die wichtigsten Umfrageresultate
Homeoffice wird in vielen Bereichen als positiv empfunden:
- Kein Arbeitsweg
- Die Hemmschwelle für ein kurzes Telefonat sinkt
- Man wird weniger abgelenkt
- Kinder und Arbeit ist einfacher unter einen Hut zu bringen
- Mehr Flexibilität bei der Einteilung der Arbeit, so meinte ein Teilnehmer: «Es liegt auch mal ein Spaziergang am Nachmittag drin».
In der Umfrage werden aber auch negative Punkte genannt:
- Fehlender persönlicher Kontakt zu den Arbeitskollegen und -kolleginnen
- Weniger spontaner Austausch (z.B. an der Kaffeemaschine)
- Zu wenig Einsicht in die internen Abläufe
- Das gemeinsame Mittagessen fehlt
- Es braucht Überwindung, an die Arbeit zu gehen
Was kann der Arbeitgeber tun?
Laila Ulmann ist sich bewusst, dass die Mitarbeitenden von bbv eher besser gerüstet sind für Homeoffice als jene anderer Betriebe. Als erfahrene Softwarefachkräfte sind sie es gewohnt, verteilt zu arbeiten (in verschiedenen Offices in der Schweiz, bei Kunden vor Ort) und können technische Hürden selbstständig überwinden. Nicht zuletzt setzte bbv schon vor Corona auf Homeoffice. Trotzdem war eine der wichtigsten Erkenntnisse der Umfrage, dass es manchmal kleine Dinge sind, die Homeoffice vereinfachen. «Gerade zu Beginn mussten sich einige Kolleginnen und Kollegen erstmal angemessen ausrüsten», erzählt sie. «Kleinere Anschaffungen wie Bildschirme und Headsets können direkt von bbv ausgeliehen werden. Aber auch bei grösseren Anschaffungen wie z.B. einem höhenverstellbaren Pult unterstützt bbv, indem ein Spezialangebot mit einem Lieferanten ausgehandelt wurde.»
Gerade im zwischenmenschlichen Bereich waren die Bedürfnisse aber deutlich grösser. «Alle, die ihren Namen in der Umfrage angaben, wurden von uns kontaktiert. Das wurde sehr geschätzt und wir konnten so direkt in den persönlichen Dialog einsteigen», so Laila Ulmann. Angeregt wurden von den Teilnehmenden regelmässige Online-Meetings, monatlich ein gemeinsames Mittagessen (am Bildschirm selbstverständlich), Social Talks, die nichts mit der Arbeit zu tun haben oder auch bei Gelegenheit und Möglichkeit ins Office zu gehen – sofern das rechtlich noch zulässig sei.
Was kann ich persönlich tun?
Doch nicht nur bbv als Arbeitgeberin ist in der Pflicht. Ebenso stark gefordert sind die einzelnen Mitarbeitenden. So wurde auch gefragt, was denn der Beitrag jedes einzelnen sein könnte. Auch hier ergab die Umfrage jede Menge Anregungen. Mitverantwortung sei sehr wichtig: Man müsse sich selbst um mehr Kontakte bemühen, spontaner anrufen oder auch mal selbst einen Chat starten, statt immer nur auf die Initiative anderer zu warten. Hilfe für Kolleginnen und Kollegen anzubieten wurde ebenfalls angeregt.
Die Liste der Möglichkeiten ist lang: Gemeinsam mal etwas online zu spielen, anlässlich von Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern zu wichteln, zusammen einen Fussballmatch zu schauen, gemeinsam eine Online-Weiterbildung zu besuchen. Was sich schlussendlich durchsetzen wird, muss sich zeigen. «Es war schon enorm hilfreich, dass man sich auch zu diesen Fragen mal Gedanken machen konnte», ist Laila Ulmann überzeugt.
Mehr als eine Umfrage
«Wir bekamen sehr viel Lob und Zuspruch für die Umfrage», betont Laila Ulmann. Nicht nur wuchs das Wissen um die Befindlichkeit der Mitarbeitenden und es konnten auf Basis der Daten einige konkrete Massnahmen ergriffen werden. Noch wichtiger dürfte der psychologische Aspekt gewesen sein: Viele Teilnehmer bedankten sich ausdrücklich: «Mir geht’s gut, ich finde es aber super, dass ihr euch so gut um uns kümmert» war der weit verbreitete Tenor.
«Der Spirit des bbv-Teams ist durch die Umfrage wieder deutlich besser spürbar geworden», so Laila Ulmann. «Das ist für uns das positivste Resultat». Ob Homeoffice sich in Zukunft in der heutigen Breite durchsetzt, ist fraglich. Viele Teilnehmende wünschten sich eine ausgewogene Mischung: Ganz verzichten auf Homeoffice möchte eigentlich niemand mehr. Aber ein bis zwei Tage im Büro pro Woche sind durchaus erwünscht.
Die Expertin
Laila Ulmann
Laila Ulmann war von 2014 bis Ende 2021 für bbv tätig. Nach dem Master in Betriebswissenschaften an der Uni Zürich startete sie als Praktikantin bei bbv und war für mehr als vier Jahre verantwortlich für das Personalmarketing und die Rekrutierung im Unternehmen. Ihr Ziel, die HR-Expertise bei bbv stets weiterzuentwickeln, verfolgte sie mit grossem Ehrgeiz und verschiedenen Massnahmen.