«Wir müssen innovativ sein!» Wir Ingenieure lieben diesen Satz und wir lieben es, alles auszuprobieren, was wir interessant finden. Das Ergebnis sind oft bessere Tools oder Tool-chains, um unser Leben als Software Engineers zu erleichtern, aber es ist eher ein Glücksfall, wenn der Anwender eine greifbare Verbesserung des Produkts daraus erlebt. Warum? Oft sind wir Ingenieure unter uns im Team, was bedeutet, dass wir hauptsächlich über technische Probleme diskutieren.
Was den «Innovationtreibern» oft fehlt, ist der Blick auf das Marktpotential des Produkts. Dieses Problem ist tief in der Unternehmenskultur verwurzelt, wenn «technische Exzellenz» mit «Innovation» verwechselt wird. Unternehmen präsentieren sich gerne als «Wir sind ein innovatives Unternehmen, weil wir sehr moderne Software einsetzen». Während mich als Software Engineer das anspricht, glaube ich nicht, dass die alleinige Verwendung modernster Technologie Sie zu einem innovativen Unternehmen macht.
Start-up-Unternehmen entstehen oft aufgrund eines solchen technischen Funkens, aber reifere Unternehmen scheinen Schwierigkeiten zu haben, diese Möglichkeiten zu nutzen. Infolgedessen ist der Output einer solchen ingenieurgetriebenen «Innovation» meist das gleiche Produkt, nur besser ausgereift und technisch ausgefeilter. Diese Dynamik ist verständlich und sie ist in Ordnung, denn «nicht so gut» bedeutet gar nicht «schlecht».
Was wir brauchen, ist mehr Mut und die Bereitschaft, die richtigen Leute auf die Innovation anzusetzen. Jedes funktionierende Unternehmen hat wahrscheinlich alle Mitarbeitende, die benötigt werden, um echte Innovationen zu ermöglichen. Der wichtigste Schritt zur echten Innovation ist die Kombination von «Business Innovation» und «Technical Innovation» mit funktionsübergreifenden Teams. Binden Sie den Product Owner, Business-Analysten und andere geschäftsorientierte Personen in den Innovationsprozess ein. Ändern Sie die Frage nach der Innovation auf «Was könnte das nächste Produkt sein, das sich unser Kunde wünscht». Und erst wenn Sie eine ungefähre Antwort auf diese Frage haben, sollen die Software Engineers die Machbarkeit herausfinden, zum Beispiel indem sie früh Mock-ups und Spikes entwickeln.
Man kann Techniken der Softwareentwicklung direkt auf diesen Innovationsprozess anwenden. Methoden wie das Pair- oder Mob-Developing einer Idee funktionieren nach meiner Erfahrung sehr gut. Oder man nimmt sich einen Nachmittag frei, um ein «Show and Tell» für neue Produkte durchzuführen, denn dies lässt oft viele wertvolle Ideen in kurzer Zeit entstehen. Solche Methoden sind im Überfluss vorhanden und es gibt viele Bücher, die diese beschreiben. Zwei meiner Favoriten sind Thinkertoys und Gamestorming.
Aber es reicht nicht aus, Ideen zu finden. Die Teams, die auf neue Ideen stossen, müssen auch die Möglichkeit erhalten, die Idee in ein Produkt mit allen seinen Aspekten zum Erfolg zu überführen. Dafür ist es wichtig, alle notwendigen Leute an Bord zu haben und dass sich jemand mit hoher Eigenmotivation für die Idee einsetzt und das Team am Laufen hält, bis es zu einem echten Produkt wird.
Wenn die richtigen Personen an Bord sind, kann es losgehen. Es wird eine Weile dauern, bis das neu gebildete Team eine gute, offene Kommunikation und auch eine Methode findet, wie sie Innovationen weiter fördern können. Dieser Prozess könnte Geduld, etwas Belastbarkeit und manchmal eine dicke Haut erfordern, wenn die Dinge nicht wie erwartet laufen. Aber schliesslich lohnt es sich, denn jedes Unternehmen, das sich nicht überflüssig macht, wird von anderen überflüssig gemacht.
Happy Innovation!
Der Autor
Dominik Berner
Dominik Berner war Software-Ingenieur bei bbv. Dank seines Know-hows im MedTech-Bereich kennt er die Wachstumsgrenzen von Startups und Kleinunternehmen, aber auch die Verhältnisse in Grossfirmen. Als Agilist betrachtet Berner Softwareentwicklung als Teamsport, der eine starke Unternehmenskultur erfordert.
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